Widerspruch im Widerstand
Costa Compagnie spürt mit „How to Kill a Fascist“ im Ballhaus Ost dem Leben und Sterben der mutmaßlichen Faschistenmörderin Monika Ertl nach.
von Fabian Leßmann
Bässe wummern in der Dunkelheit. Stéphanie Morins verzerrter E-Gitarren-Sound tönt durch den Raum. Die Jugend will keine Nazis, brüllt sie ins Mikrofon. Gänsehaut in der lauten Klangatmosphäre. Wild – und ja, Punk stand auf dem Programmheft. Gehen wir heute doch noch Faschisten jagen?
Auf dem Programm steht „How to Kill a Fascist. Das Leben und Sterben der Monika Ertl in 3 Solos“ der Gruppe Costa Compagnie im Ballhaus Ost. Costa Compagnie versteht sich als Kollaboration interdisziplinär arbeitender Künstler:innen, gegründet von Felix Meyer-Christian, von dem auch das Konzept des Abends stammt. Die Gruppe arbeitet an der Schnittstelle zwischen Dokumentation, Performance und Film, interessiert sich für Kriegs- und Krisenregionen und politische Umbrüche. Sie haben schon zu globalen Unabhängigkeitsbewegungen, globalisierter Care-Arbeit, künstlicher Intelligenz und dem Zusammenhang von Klimakrise, Krieg und Flucht gearbeitet.
Jetzt also: Faschismus. Konkret: Faschist:innenjagd, Tyrann:innenmord, militanter Widerstand. Auf der Bühne steht ein Frauen-Trio: Karin Enzler, Schauspielerin aus der Schweiz, Stéphanie Morin, Punkmusikerin aus Frankreich und Maque Pereyra, Choreografin aus Bolivien. Es geht um Monika Ertl, bekannt als „Che Guevaras Rächerin“. Sie hat nämlich wirklich einen Faschisten umgebracht, 1971 in Hamburg den bolivianischen Offizier Roberto Quintanilla. Der hatte erst Che Guevara ermordet (und ihm die Hände abgehackt, als Beweis für seinen Tod). Und dann weitere Teile der bolivianischen Guerillabewegung ELN, darunter auch Inti Peredo, Ertls Liebhaber. In der bolivianischen Botschaft in Hamburg schießt Ertl dreimal auf Quintanilla und flieht. Um dann, wenig später, in Bolivien von Ex-Nazi Klaus Barbie zur Strecke gebracht zu werden.
Klingt brutal. Ist es auch. Die Gewalt aber steckt vor allem in den Worten, in der bassigen Soundkulisse und den punkigen Songs. Bildlich-visuell hingegen bleibt der Abend zurückhaltend. Das hier ist kein blutiger Hollywood-Splatterstreifen, das hier ist inhaltliches, mitunter sinnliches Theater – mit einem klaren dokumentarischen Auftrag. Die drei Performerinnen spüren nach, wie es Monika Ertl gegangen sein muss. Schauspielerisch, musikalisch, tänzerisch. Und vor allem vor gewaltigem Bildmaterial.
Die Bühne ist ein Quadrat, nach vorne offen, und auf alle Seiten wird filmisch hochscharfes Material projiziert. Karin Enzler im Gebirge, auf der Suche nach dem inneren Widerstand. Stéphanie Morin in Paris, und später in einem Waisenhaus, dessen Kinder die Nazis unter Klaus Barbie gen Ende des 2. Weltkriegs doch noch aufspürten und nach Auschwitz deportierten. Der Regen fällt, man sieht gestochen scharf den Brunnen im Innenhof des Hauses, alles in schwarz-weiß, während Morin in Französisch von den doch letzten hoffenden Momenten der Kinder erzählt.
Wo sind wir in dieser Welt? Ist das wirklich nur Vergangenheit? Und dann, in dem letzten Soloteil, tanzt Maque Pereyra vor mittlerweile farbigen Bildern Boliviens, fragt sich, ob und wie sich ein Körper dem Widerstand verpflichten muss. Gerade wenn er doch auch ein Widerstand aus Liebe ist wie im Fall von Monika Ertl. Ist das Widerspruch im Widerstand? Und ist das überhaupt eine wichtige Frage? Dazu hören wir im Hintergrund verschiedene Bolivianer:innen, die über Ertls Tod sprechen.
Es passiert viel in den 90 Minuten. Collagenartig blenden die Teile ineinander über. Viel wird angeschnitten, hinterfragt. Der Vater von Ertl, Filmemacher bei den Nazis, der später mit der Familie nach Bolivien flieht. Beate und Serge Klarsfeld, die nach dem 2. Weltkrieg zahlreiche Nazis vor die Justiz gebracht haben und die zwar als Nazi-Jäger:innen betitelt werden, aber anders als Ertl den friedlicheren Weg wählten. Und vor allem: Wie sich die Faschisten in Südamerika nach dem 2. Weltkrieg vernetzt haben, gerade in Bolivien. Dabei taucht die Frage nach dem Widerstand immer wieder auf, mal laut, mal leise.
Eine Antwort finden die drei Frauen auf der Bühne nicht, aber das ist okay. Zu surreal wirkt das Ganze in dem ästhetischen Bildquadrat, mit den utopischen Fast-Uniformen der drei Performerinnen. Die Idee der faschistischen Vernetzung, die Fragen des Widerstandes, das Politische in all dem wird klar, aber nicht herausgeschrien. Faschisten jagen sind wir nicht gegangen, das klingt zu brutal, und wird dem Stück auch nicht gerecht. Denn als am Ende Enzler, Morin und Pereyra erzählen, wie Monika Ertl Roberto Quintanilla tötet, geschieht das trotz der expliziten Worte ganz friedlich, vor den großen, sich wohl selbst bestaunenden Bildern der bolivianischen Botschaft in Hamburg. Dann wird es dunkel. Es bleibt eine merkwürdige Diskrepanz zwischen Gewalterzählung und zurückhaltenden, friedlichen Bildern. Am Ende fragt man sich: Was war das? Ein Mord? Eine Befreiung? Eine Verantwortung? Aber vermutlich sind diese Fragen genau der Punkt.
Die Vorstellung läuft noch heute, am 26. Mai, um 20 Uhr im Ballhaus Ost.