Was ist am Jungsein besser?


In Schönheit altern: “so much pain! a bodypiece for LIZ” am Theater o.N.

von Mascha Schornstheimer

„Was haben eine Hexe und eine Hure gemeinsam? Magie, Energie und Transformation.“ Als erotisches Spanferkel liegt Minouche Petrusch auf dem Tisch. Dazu stöhnen und schmatzen Uta Lindner und Iduna Hegen, schwelgen in Sahnecreme. Sie flüstern, kreischen und lachen im Kerzenlicht. Ein Hexensabbat im Wohnzimmer. Immer wieder konfrontieren die drei Frauen sich selbst und gegenseitig mit ihrem Älterwerden. Nicht das Altsein steht im Fokus, sondern das Altern als Prozess. Dabei beginnt die Luft im Raum tatsächlich vor Magie, Energie und Transformation zu flirren. Aber wo bleibt eigentlich der angekündigte Schmerz?

In „so much pain! a bodypiece for LIZ” im Theater o.N. beleuchtet Regisseurin und Autorin Katharina Kummer die schattenhafte Figur der alternden Frau. Der Abend bildet den letzten Teil eines Triptychons. Zuvor hat Katharina Kummer bereits die Archetypen der Mutter und des Mädchens in Performances verarbeitet. Die Aufspaltung der Frau in diese drei Aspekte ist uralt: die drei Moiren, die dreifaltige Göttin. Auch dieser Abend wird von einem weiblichen Trio dominiert, wobei die Frauen diesmal verschiedene Aspekte des Alterns verkörpern: stark, zart, entrückt, klar, zornig, liebevoll.

Dabei fällt zunächst einmal auf, wie gut alles aussieht. Kostüm- und Bühnenbildnerin Julia Bosch hat den Aufführungsraum des Theater o.N. in ein elegantes Wohnzimmer verwandelt, in dem das Publikum verteilt Platz nehmen darf. Wir sind Eindringlinge im Palast des Alterns. Durch das geöffnete Fenster zum Hof zwitschern die Vögel herein. In der Mitte des Raumes steht eine lange Holztafel, auf der bald gebetet, gefeiert und stolziert werden wird. Auf der einen Seite ist eine kleine Wohnzimmerbar aufgebaut, glänzend und verschnörkelt wie aus einem luxuriösen Haushalt der 1920er Jahre. Auf der anderen Seite eine samtgrüne Chaiselongue, ein Kerzenhalter, eine Zimmerpflanze. Minouche Petrusch trägt erst einen violetten Morgenmantel, dann einen grünen Seidenanzug. Uta Lindner ist in Gold gekleidet und Iduna Hegen in elegante Cremetöne. Sie sehen einfach toll aus, diese Frauen, die sich immer wieder vor ihrem eigenen Spiegelbild erschrecken.

Mindestens so eindrücklich wie die Bilder, die sie aufrufen, sind ihre Stimmen. Hier findet wunderbares Sprechtheater statt. Beinahe essayistisch sinnieren die Performerinnen über das Altern. Dabei flüstern, zischen, kichern und brüllen sie. Gerade hängt man noch an den Lippen der einen, da prescht die andere im Text schon weiter voran und man hat nur die Hälfte verstanden. Macht aber nichts, denn es macht Spaß zuzuhören. Was hängenbleibt, bleibt hängen, was verfliegt, verfliegt – so funktioniert das mit den Erinnerungen. Aber die drei sprechen nicht nur, sie singen auch. Songs wie „Meine beiden Vaginen habe ich zertrümmert“ klingen mal im Chor, mal im Kanon durch den Raum. Dabei wird das Trio von Techniker Robert Lange unterstützt, der gemeinsam mit dem Publikum im Raum sitzt. Er steht zwar nicht im Fokus, ist aber durchaus Teil der Performance, indem er Musik und Licht reguliert und manchmal sogar mitspricht.

Noch eine weitere Performerin gibt es: Michaela Millar. Als junge Frau führt sie das Publikum zu Beginn in den Raum und betritt ihn noch ein zweites Mal, um von ihrer Oma zu erzählen. Eine verschnörkelte Dose soll das Grab ihrer Großmutter sein. Tief beugt sie sich darüber: „Ich will da rein!“ In Jogginghose und gestreiftem T-Shirt hat sie nichts von der Eleganz der älteren Frauen. Die Alternden sind die Stars. „so much pain!“ erzählt nämlich nicht wirklich viel über Schmerz. Klar, der körperliche und geistige Verfall wird thematisiert. Aber vielmehr feiern die Darstellerinnen das Altern in Würde, Schönheit und Anmut. Denn: „Was ist schon wirklich besser am Jungsein?“ Das ist vielleicht eine etwas verkürzte Darstellung, aber als Perspektivwechsel auch wahnsinnig erfrischend.

Im Epilog blicken Minouche Petrusch, Iduna Hegen und Uta Linder in ihre eigenen Todesboxen. Aus ihnen heraus leuchtet es. Das Licht am Ende des Tunnels? Erinnerungen an das bereits Gelebte? Das eigene Spiegelbild? Was sie auch sehen, sie blicken gelassen hinein. Und so geht man auch aus diesem Abend: emotional berührt, ja, aber auch entspannt.


Die Vorstellung findet noch heute, am 27.05 und morgen, am 28. 05., jeweils um 20:00, im Theater o.N. statt.