Darf man jetzt lachen?


Mit „Migraaaanten“ des rumänischen Autors Matéï Vişniec zeigt das Ensemble Ballhaus Prinzenallee eine satirische Komödie zum Thema Flucht und Migration.

von Dilara Buzoğlu

 

Der Boden ist bedeckt mit Kleidung. Regenponchos, vor allem ganz viel Plastik. Eine regungslose Person liegt daneben. Auf drei Stangen befestigt sind Plastiktüten. Ihr Inhalt? Spielzeuge für Kinder. Und Wasser. Es sind Überbleibsel der gefährlichen Reise.

Das Ballhaus Prinzenallee zeigt an diesem Abend die deutsche Erstaufführung des Stücks „Migraaaanten. Wir sind zu viele auf diesem verdammten Boot“ des rumänischen Autors Matéï Vişniec, für das er Presseberichte über aktuelle Fluchterfahrungen collagiert hat. Entstanden ist eine dunkle Komödie über ein wahrscheinlich für immer gegenwärtig bleibendes Thema: Flucht und Migration.

Unter der Regie von Oliver Toktasch verhandelt das Ensemble die Tragik einer Flucht aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Da ist der rassistische Präsident, der von seiner Beraterin aufgefordert wird, es mal mit „political correctness“ zu probieren – denn die richtige Sprache soll verschleiern, dass eigentlich nichts unternommen wird. Da sind die Schlepper, die aushandeln müssen, wen sie über Bord werfen – denn das Boot ist eindeutig zu voll. Da ist der Organhändler, der einem verzweifelten Jungen ein besseres Leben in England verspricht, wenn dieser seine Niere als „Kapital“ abgibt. So geht es weiter. Ob wegen der eigenen „political correctness“ oder der deutsche Stock im Arsch – wie im Programmzettel angekündigt, bleiben einem die eigenen Privilegien im Halse stecken. Die Frage kommt auf: Darf man jetzt lachen? Einige tun es trotzdem.

Bühnenbildnerin Ayfer Ezgi Karatas präsentiert eine bis ins kleinste Detail durchdachte räumliche Ordnung. Die Zuschauer:innen werden in zwei Hälften geteilt und auf der jeweils anderen Seite des Raumes platziert. Wie in einem Boot, könnte man meinen. In der Mitte spielt sich das Geschehen ab. Weil die Bühnenfläche durch einen Plastikvorhang getrennt ist, sieht das Publikum immer nur einen Teil des Stückes. Erst später fällt der Vorhang und die Anderen werden sichtbar.

Eines der Highlights des gesamten Abends bietet Drag-Performer:in Hassan Dib, bekannt als Queen of Virginity: eine Art Stand-Up Einlage, die so nicht bei Vişniec steht. Hassan Dib dreht den Spieß um: Es ist einer der wenigen Moment des Abends, in denen die Anderen, über die geredet wird, nicht die Geflüchteten sind – sondern die von Leistung besessenen Deutschen, die sich nie krankschreiben lassen oder es niemals wagen würden, im Theater zwischendurch zu klatschen. Ein erfrischender Moment, der ruhig hätte länger sein können.

Vişniecs Stück spricht auf nicht unproblematische Art und Weise über das Thema Flucht. Geflüchtete agieren hier nicht als eigenständige Subjekte, sondern werden zu einer Masse, die auch mal was von der vermeintlich europäischen Freiheit abhaben will und bereit ist, alles dafür zu tun. Ein Grund, weshalb die Beteiligten rund um Regisseur Oliver Oktasch sich dafür entschieden haben, einen Großteil der vorgesehenen Szenen zu streichen – sie seien zu zynisch gewesen. Was bleibt, ist eine humorvolle, auch böse Abhandlung über die europäische Migrationspolitik, die uns Menschen ohne Fluchterfahrung den Spiegel vorhält. Das ist Satire – und die muss bekanntlich nicht bitterernst sein.